NGZ Interview zur Bürgermeisterwahlen: Ursula Baum

Da nicht alle RP-online haben, hier die wichtigsten Punkte in der Originalfassung – ungekürzt:

NGZ: Sie kommen bei den Menschen gut an, viele mögen und schätzen Sie. Als Bürgermeisterin müssen Sie aber auch durchgreifen. Können Sie das?

Baum: Auf jeden Fall. Ich bin seit vielen Jahren sowohl beruflich als auch vereinsmäßig in Positionen, in denen ich mit Menschen umgehen und mich gleichzeitig durchsetzen muss, um eine Firma oder einen Verein in die richtige Richtung zu lenken. Ich bin auch stellvertretende Bürgermeisterin, weil ich mich durchgesetzt habe.

NGZ: Sie sind an allen Fronten vertreten: Sportvereine, Kaarster helfen, und als stellvertretende Bürgermeisterin müssen Sie auch hin und wieder unterwegs sein. Bleibt da noch Zeit für Hobbys und Familie?

Baum: Ich arbeite ja auch noch in einer Unternehmensberatung, der Job fordert mich auch. Meine Firma ist komplett digital unterwegs. Es ist alles eine Frage der Organisation und Planung. Und da bin ich ziemlich gut drin. Ich habe in allen Vereinen gute Teams, es ist sehr genau abgesteckt, wer was macht. Wir sind seit Jahren digital unterwegs, arbeiten im Schwimmverein beispielsweise mit Slack, worüber der gesamte Verein organisiert wird. Das alte Modell von Vorstandssitzungen kennen wir so nicht. Ich bin sehr getaktet und habe den Vorteil, dass meine Kinder nicht mehr zu Hause sind. Ansonsten wäre ich auch nicht stellvertretende Bürgermeisterin. Kinder und ein solches Amt lassen sich nicht vereinbaren.

NGZ: Wie wichtig ist Ihnen die Familie?

Baum: Wenn meine Kinder nach Hause kommen – was alle drei/vier Monate vorkommt – verlege ich alle Termine, dann geht die Familie vor. Wir haben seit 26 Jahren einen Familienabend, an dem wir kochen und quatschen. Sie werden mich freitags – wenn meine Kinder da sind – eher selten auf einem Termin sehen.

NGZ: Haben Sie die Befürchtung, dass die Vereine ohne Sie irgendwann „aussterben“?

Baum: Ich habe das mit allen Vereinen besprochen. Die haben gesagt: Mach, wir sind schon da. Wir sind ein Team, und der Vorsitzende gibt nur die Richtung vor. Das tue ich auch.

NGZ: Sehen Sie die Stadtverwaltung auch als Team oder würden Sie als Bürgermeisterin viele Entscheidungen alleine treffen?

Baum: Ich würde mich freuen, das Potenzial aller Mitarbeiter zu wecken und sie noch mehr mitzunehmen. Eine Verwaltung ist eine sehr starre Institution. Die Jüngeren lernen in ihren Ausbildungen, agil zu arbeiten. Das möchte ich unterstützen. Wer weiß, vielleicht gibt es im Kaarster Rathaus dann auch eine „offene Arbeitswelt“, in der agil und vernetzt zusammenarbeitet wird. Mir geht es darum, alle mitzunehmen und ihnen die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen.

NGZ: Wie wollen Sie das erreichen?

Baum: Ich würde einen Workshop machen, den jemand Externes moderiert und so gemeinsam Ziele und Verantwortungen auf den Weg bringen.

NGZ: Muss die Verwaltung digitaler werden?

Baum: Die Verwaltung ist auf einem guten Weg. Die Fachabteilung arbeitet da auch schon stark dran. Mein Ziel ist es, dass kein Bürger mehr für die Beantragung eines Reisepasses einen Tag Urlaub nehmen muss. Das ist abstrus. Allerdings soll es auch ein mobiles, digitales Bürgerbüro geben, das zu (älteren) Menschen fährt, denen es nicht mehr möglich ist, ins Rathaus zu kommen.

NGZ: In Ihrem Wahlprogramm steht, dass Sie Digitalisierung zur Chefsache machen wollen. Ist das Ihr erstes Ziel?

Baum: Das ist eines meiner ersten Ziele. Insbesondere Digitalisierung der Schulen. Ich rechne damit, dass wir auch nach den Ferien digital bleiben. Alle Schüler müssen am digitalen Unterricht teilnehmen können. Jedes Kind muss die gleichen Chancen haben.

NGZ: Was sind die anderen?

Baum: Wirtschaftsförderung, bezahlbarer Wohnraum, Mobilität für alle – gleichwertig, Umwelt, Nachhaltigkeit

NGZ: Und der Haushalt?

Baum: Der steht natürlich auch an, mit der Verwaltung werde ich diesen steuern, die Politik entscheidet am Ende.

NGZ: Was für Unternehmen würden Sie sich auf dem alten Ikea-Gelände wünschen?

Baum: Hauptsache, da kommt endlich was hin. Das neue Ikea hat vor drei Jahren eröffnet. Schon während der Bauzeit war klar, dass das alte Gelände frei wird. Ich habe null Verständnis dafür, dass das Gelände noch nicht bebaut ist. Das würde in der freien Wirtschaft nicht passieren. Da müssen Unternehmen hin, die ihre Gewerbesteuern in Kaarst zahlen. Ich bin da inzwischen flexibel.

NGZ: Wie wichtig ist die Wirtschaftsförderung in Kaarst?

Baum: Sehr wichtig. Ich rolle allen Unternehmen den Roten Teppich aus. Wer einen Termin bei mir haben will, bekommt ihn sofort. Ich komme aus der Wirtschaft, nicht aus der Verwaltung. Das kann ein großer Vorteil sein. Zudem kenne ich aber die Verwaltungsvorgänge, ich bin seit 16 Jahren Vorsitzende eines großen Ausschusses. Da kann mir keiner so schnell etwas vormachen.

NGZ: Was muss sich in Kaarst in Sachen Mobilität ändern?

Baum: Es muss eine Gleichwertigkeit zwischen den Verkehrsteilnehmern hergestellt werden. Die Mobilität ist im Wandel, wir haben in Kaarst noch sehr viele Autofahrer, die aber auch teilweise zu Radfahrern werden. Die Stadt ist noch nicht darauf eingerichtet, beide zu bedienen. Mein Traum ist ein kostenloser ÖPNV. Viele Menschen würden die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, wenn sie funktionieren würden. Wir müssen uns auch Gedanken über ein neues Bezahlsystem machen. Auch unsere Radwege müssen besser werden. Wir haben sehr viele gepflasterte Radwege, die müssen aber geteert sein, damit die Bürger auch darauf fahren können.

NGZ: Braucht die Stadt noch weitere Senioren-Quartiere wie am Dreeskamp?

Baum: Mein Credo ist, dass Menschen selbstbestimmt alt werden sollen. Der Dreeskamp ist eine Variante, Seniorenquartiere eine andere. Wir brauchen überall einen Mix aus teuren und günstigen Wohnungen. Es muss ein Miteinander geben. Wir brauchen bei den Bauvorhaben eine Durchmischung der Wohnformen. Außerdem muss die Arztversorgung für Senioren in der Nachbarschaft gesichert sein.

NGZ: Was würden Sie für Jugendliche machen?

Baum: Ich würde eine Sprechstunde nur für Jugendliche einrichten, damit sie jederzeit und mit allen Themen einen Zugang zum Rathaus haben. Ich habe ein riesiges Netzwerk und kann vermitteln.

NGZ: Wie können denn junge Familien in Kaarst günstig wohnen?

Baum: Das ist sehr schwierig. Das können wir nur erreichen, indem wir bei Wohngebieten genau darauf achten, einen gewissen Prozentsatz an junge Familien zu geben. Der Markt in Kaarst gibt leider her, dass alle Preise der Welt genommen werden. Bei städtischen Grundstücken können wir festlegen, dass ein gewisser Prozentsatz anders bebaut wird.

NGZ: Würde eine Wohnungsbaugesellschaft helfen, wie sie schon einmal gefordert wurde?

Baum: Ich halte das für eine gute Idee, weil es so nicht weitergeht. Wir müssen uns bewegen.

NGZ: Wie wollen Sie die Stadt grüner machen?

Baum: Jeder muss mitmachen und wollen. Ob es Blumenwiesen, ein Bürgerwald, der Radverkehr oder das innerstädtische Mikroklima ist. Jeder ist gefordert. Wir müssen auch den Einsatz und die Weiterentwicklung moderner Technologien vorantreiben. Es gibt noch viele Möglichkeiten, die Stadt zu steuern. Ich kann mir auch gut ein papierloses Rathaus vorstellen.

NGZ: In einer perfekten Welt: Wie sieht die Stadt Kaarst in fünf Jahren aus?

Baum: Bunt, vielfältig, kulturell, freundlich, umweltbewußt, nachhaltig, zukunftsorientiert. Eine Stadt, in der wir Kaarster gerne leben möchten.

NGZ: Ist eine Stadt ohne Sport- und Kulturangebote interessant für Bürger?

Baum: Nein. Eine Stadt ohne Sport und Kultur ist keine lebenswerte Stadt. Da das alles freiwillige Leistungen sind, müssen wir dafür sorgen, dass wir genug Geld dafür haben. Damit sind wir wieder beim Thema Wirtschaftsförderung.

NGZ: Was bleibt in Kaarst von Corona hängen?

Baum: Das Positive wird sein, dass die Glasfaser oder einen ordentlichen Internetanschluss brauchen. Die Natur konnte aufatmen, weil viele Leute anders zur Arbeit gefahren sind. Das ist wichtig für unsere Kinder, denn wir haben nur diese eine Welt. Auch Raumressourcen können anders genutzt werden. Es gab so viele Freiwillige in dieser Zeit. Das hat gezeigt, wie groß die Hilfsbereitschaft war. Die finanziellen Auswirkungen sind noch nicht abzusehen, da müssen wir abwarten und denjenigen helfen, die es besonders betrifft.

NGZ: Was ist besser: Eine Parteienvielfalt wie jetzt oder zwei, drei starke Parteien?

Baum: Das ist Demokratie. Ich möchte keine Diktatur erleben. Deshalb ist das jetzige System, so schwierig es auch ist, wichtig. Wir müssen in der demokratischen Mitte bleiben.

NGZ: Wie realistisch ist ein gutes Ergebnis für die FDP?

Baum: Die FDP wird ein gutes zweistelliges Ergebnis erzielen. Ich trete als Bürgermeister-Kandidatin aber für alle Kaarster an. Ich habe ganz viele Leute, die mich wählen, aber ihr Kreuz bei einer anderen Partei machen. Die Bürgermeister-Wahl ist eine Personenwahl.

NGZ: Stimmt es, dass Sie nicht gegen Ulrike Nienhaus angetreten wären?

Baum: Ja.

NGZ: Wieso sind Sie denn nun doch angetreten?

Baum: Weil es zu dem Zeitpunkt so aussah, dass es nur einen Kandidaten gibt. Und das finde ich für eine demokratische Entscheidung für eine Stadt nicht in Ordnung. Außerdem gibt es Chancen im Leben, die nur einmal kommen, das war eine solche!.

NGZ: Würden Sie auch ein zweites Mal kandidieren?

Baum: Ja, ich bin jetzt 53, das heißt bis zur Rente habe ich noch mindestens zehn Jahre Zeit. Da kann ich noch Einiges bewegen.

NGZ: Was unterscheidet Sie von den anderen Kandidaten?

Baum: Ich bin in Kaarst verwurzelt und gehe hier nicht so schnell weg, auch wenn ich nicht gewählt werden sollte. Meine Kinder sind hier groß geworden und ich habe alles mitgemacht, was eine Familie an Herausforderungen zu meistern hat: Job und Familie, Kita, Schule und Schulpflegschaft, Fördervereinsvorsitzende und Eltern, die älter werden und Unterstützung brauchen.

NGZ: Vervollständigen Sie den Satz: „Wenn ich am 13. September zur Bürgermeisterin gewählt werde, dann werde ich zuerst…“

Baum: …mit meinem großartigen, ehrenamtlichen Wahlkampfteam einen tollen Abend verbringen.

Danke an NGZ Redakteur Stephan Seeger für die Fragen.

https://rp-online.de/nrw/staedte/kaarst/kaarst-uschi-baum-im-interview-jedes-kind-muss-die-gleichen-chancen-haben_aid-52051919?fbclid=IwAR10GLnYDHiBTC2Mh-PVrQHxPb51pUkdHKkn2D7IpChVulMlf_o8Y-zuc5w

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